Anita Weissenböck: Geht nicht, gibt's nicht!
Woher kommt Ihre Leidenschaft und Ihr Interesse für das Thema Behindertensport?
Meine Leidenschaft für den Behindertensport hat ihre Wurzeln in meiner eigenen Lebensgeschichte. Ich lebe seit meiner Geburt mit einer körperlichen Behinderung, die auf das Morbus Klippel-Trenaunay-Syndrom zurückzuführen ist. Mit 13 Jahren entschied ich mich aufgrund der Sekundärsymptome für eine Amputation meines linken Unterschenkels. Nach meinem Krankenhausaufenthalt entdeckte ich durch Zufall den Behindertensport in der Schwimmsektion in Spittal an der Drau. Das Wasser war schon immer mein Element, hier fallen mir Bewegungen leicht, ich fühle mich schwerelos und brauche keine Hilfsmittel – in meinem Fall also keine Prothese. Der Behindertensport wurde zu einem wesentlichen Teil meines Lebens. Durch ihn habe ich Freundschaften geschlossen, die mich ein Leben lang begleiten. Dank der hervorragenden Unterstützung meiner Trainer konnte ich meine Leidenschaft fürs Schwimmen von gesundem Sport über Breitensport bis hin zum Leistungssport ausleben. Ich habe gelernt, meine physischen und psychischen Fähigkeiten zu stärken und an meinen Schwächen zu arbeiten. Je älter ich wurde, desto mehr wurde mir bewusst, wie wichtig der Behindertensport nicht nur für mich, sondern auch für andere Menschen mit Behinderungen ist. Nach dem Ende meiner Schwimmkarriere widmete ich mich verschiedenen Ausbildungen, um anderen Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben, ebenfalls Sport zu treiben. Mein Motto lautet heute: „Geht nicht, gibt's nicht!“
Was motiviert Sie dabei besonders?
Jedes Mal, wenn ich ins Training komme, freue ich mich darauf zu sehen, wie aus anfänglichen Zweifeln bei den Sportlern strahlende Augen werden! Es ist wunderbar zu beobachten, wie meine eigene Euphorie und Leidenschaft für den Sport und die Bewegung auf andere überspringt und sie offen für Neues werden.
Welche Rolle spielt Teamarbeit im Behindertensport, sowohl für die Athleten als auch für die Trainer?
Teamarbeit ist sowohl für die Athleten als auch für die Trainer von großer Bedeutung. In meiner täglichen Arbeit lege ich großen Wert darauf. Menschen mit einer Behinderung sind für ihre Aktivitäten in der Regel auf Unterstützung angewiesen. Wir ermöglichen im Team, dass Sportarten ausprobiert und praktiziert werden können, die ohne Hilfestellung nicht möglich wäre. Wir sind das Sprungbrett zur Bewegung, zum Wettbewerb und damit zu Momenten, wo andere über sich hinauswachsen können.
Gibt es Erlebnisse, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Ein besonders schönes Erlebnis war es zu sehen, wie anfängliche Barrieren abgebaut wurden und die Sportlerinnen und Sportler mit Freude am Sport teilnahmen. Ein eindrucksvolles Beispiel war ein junger Sportler mit einer ausgeprägten körperlichen Beeinträchtigung, der früher leidenschaftlich Langlaufen ging, den Sport aber nicht mehr ausüben konnte. Ich motivierte ihn dazu, einen Langlaufschlitten auszuprobieren. Durch individuelles Einzeltraining und viel Begeisterung konnte er schließlich an unserem Langlauftag teilnehmen und saß dabei in derselben Loipe wie die stehenden Sportler. Das war pure Inklusion! Seine Freude an der Bewegung war so spürbar und ein bewegender Moment für alle, die daran mitgewirkt haben.
Wie reagieren die Teilnehmer auf Erfolge oder Misserfolge im Training oder Wettkampf? Gibt es dabei Unterschiede zwischen Sportlern mit und ohne Einschränkung?
Ich erlebe immer wieder, dass es keinen Unterschied macht, wie Menschen – ob mit oder ohne Behinderung – auf Erfolge oder Misserfolge im Training oder Wettkampf reagieren. Jeder Mensch freut sich über Anerkennung für gute Leistungen – das gilt auch für Menschen mit Behinderungen. Bereits beim ersten Kontakt vermittle ich meinen Sportlern, dass allein die Teilnahme an einem Training oder Event bereits ein großer Sieg ist und sie stolz auf sich sein können – denn das bin ich auch! Ich möchte ihnen zeigen, dass Sport Spaß macht, wenn man Freude an der Bewegung hat, wird man offen für Neues sein und der Erfolg kommt von allein.
Wie gelingt es Ihnen, die Balance zwischen Fordern und Fördern bei Menschen zu finden, die sich oft nicht so gut ausdrücken können?
Das braucht viel Empathie. Hier kommt es vor allem auf die Beziehungsarbeit an, indem man den Menschen immer in seiner Ganzheitlichkeit sehen kann.
Wie können wir als Gesellschaft Inklusion im Sport fördern?
Inklusion ist ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit. Menschen mit Behinderungen sind Teil unserer Gesellschaft. Durch Maßnahmen wie die Nutzung öffentlicher Trainingsstätten sowie die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen – etwa Ski- oder Langlauftagen – leben wir Inklusion täglich.
Welche Rückschläge muss man in diesem Bereich verkraften?
Als Trainer sollte man sich stets vor Augen halten, dass es eine schöne Aufgabe ist, Menschen im Sport zu begleiten und ihnen diesen näherzubringen. Es kann vorkommen, dass Sportler aus unterschiedlichen Gründen Rückschläge erleben, aber diese erlebten Rückschläge bringen uns immer auch weiter! Meine Aufgabe besteht darin, sie dort abzuholen, wo sie gerade stehen, sie zu unterstützen und gemeinsam neue Wege zu finden – wie beispielsweise bei einem Sportler mit einem Langlaufschlitten. Mit Geduld, Ausdauer, Begeisterungsfähigkeit und technischen Hilfsmitteln lassen sich fast alle Hindernisse überwinden!
Kontakt:
Mobil: +43 (0) 664/8000 6 8056
E-Mail: